work

hier und jetzt

Schaufenster sind Vitrinen inszenierter Begehrlichkeiten.

In St.Gallen an der Frongartenstrasse 5 lockt Leuchtfarbe am Ort der konsumierbaren Wünsche. Doch der Blick nach Innen wird durch das zugemalte Fenster verwehrt. Das Auge wird durch die grossflächige Anwendung der Neonfarbe „Pink“ irritiert. Ungewohnt muss der Abstand zur Schaufensterscheibe fokussiert werden, automatisch wird das architektonische Umfeld wahrgenommen. Neu zu definierender Raum zwischen enttäuschtem Begehren und neuer Seherfahrung entsteht.

«Die auffällige Architektur des ehemaligen Reisebüros im Erdgeschoss mit den runden Schaufensterscheiben und den schrägen schwarzen Säulen löste in meiner Kindheit das Bild einer erfreulichen Zukunft und einer offenen Welt aus. Wenn ich jeweils in die Stadt zum Zahnarzt musste, freute ich mich jedes Mal auf den kleinen Umweg zum Gebäude um mir das Gefühl «Freiheit» abzuholen.»

Seit einigen Jahren ist das Reisebüro im Erdgeschoss ausgebaut. Mit dem Abbruch des Gebäudes im Frühjar 2009 verschwindet diese prägnante Architektur.

Die Oberfläche des Schaufensters ist sich selbst genug und leuchtet ein letztes Mal – um aufzufallen.



weiderost «portal euregio bodensee»

visualisierung

Die Gemeinde Kluftern hat zu einem Wettbewerb für Grossplastiken eingeladen.

Zwischen Hugenloh und Herrenstöcke mit Sichtverbindung zur Alpenkette soll einen Weiderost in den Boden eingebaut werden.
Im Appenzellerland ist das «Original» des Weiderostes im landwirtschaftlichen Gebrauch. Die Huftiere meiden das Überqueren des Rostes und bleiben auf den Alpwiesen. So kann auf Zauntore verzichtet werden, die Weide lässt sich ungehindert passieren.
Beim Standort auf der Landstrasse in der Region Kluftern irritiert der Weiderost: Auf den ersten Blick erscheint er ohne Kontext, da keine Weiden abgegrenzt werden müssen. Auf den zweiten Blick lässt sich von der «Kopie» zum «Original» ein imaginärer Bogen über den Bodensee schlagen – ein Tor der Euregio Bodensee entsteht. Das Gebrauchsobjekt wird zur Kunstbaute.
Projekteingabe Kluftern PDF

bubbles

Zum Titel «Erklär mir Liebe» hat die Aids-Hilfe St.Gallen zu einer Ausstellung im Bahnhofsgebäude St.Gallen eingeladen.

Unterschiedliche Sujets, von innigen Küssen bis zu eindeutigen sexuellen Handlungen, die aus dem Internet heruntergeladen wurden sind in Scheiben mit Bügelperlen umgesetzt. Die grobe Rasterung lässt den Bildinhalt nicht sofort entschlüsseln – die Scheiben werden als kindliche Bastelarbeit gelesen. Mit Distanz und unscharfem Blick werden die Scheiben plötzlich zu Bildträgern von pornorafischen Szenen. Durch das gegenseitige Erklären der Betrachtenden was sie in den Scheiben erkennen ergibt sich ein Gespräch über Sexualität und Liebe.

AR 1969-2005

Installation im Alten Zeughaus Herisau

Frank Keller füllt das erste Obergeschoss mit T-Shirts, die von der Decke hängen. Wer sich durch die rund 520 Kleidungsstücke bewegt, gelangt an der Stirnwand zum Titel der Arbeit «AR 1969-2005», und damit zu den Hintergründen, die zur Installation geführt haben. Zwischen 1969-2005 haben sich laut Statistik 518 Menschen im Kanton Appenzell Ausserrhoden das Leben genommen. Aus der biografischen Verbundenheit des Künstlers mit dem Ort heraus ist eine installative Arbeit entstanden, die auf formal reduzierte Art mit einem Tabu bricht. Scheinbar nüchtern werden Zahlen taktil und raumgreifend umgesetzt, die Tode sichtbar gemacht und Denkketten in Gang gebracht. Aufdrucke auf den getragenen T-Shirts wie «sleep – dreams will come soon…» oder «follow me» bekommen im Kontext der visualisierten Suizidfälle eine befremdende Dimension. Die Frage nach möglichen Gründen für die hohe Selbstmordrate wird antwortlos in den Raum gehängt. Frank Keller interessieren die Zusammenhänge von Persönlichkeitsstrukturen und kulturellen und soziologischen Hintergünden. Ebenso leichtfüssig verführerisch wie doppelbödig involviert er mit Arbeiten wie «Boye» im Mannenweiher St. Gallen (2003-06) oder «Playground» im Zeughaus Teufen 2002 das Publikum in Diskurse um Klischeebilder, Geschlechterrollen und Selbstbestimmung.

Ursula Badrutt Schoch

museumsnacht 2004

 

Künstlerische Landebahn am 11. September im St. Galler Stadtraum

Der St. Galler Künstler Frank Keller realisiert für die erste St. Galler Museumsnacht eine umfassende Installation, die sich über den gesamten Stadtraum erstreckt. Rote, blinkende Positionslichter signalisieren in luftiger Höhe: Hier steht eine Institution im Dienste der Kultur. Eine fiktive Landebahn zieht sich durch das Tal vom Tröckneturm bis zum Kulturquartier als ein Stück visuelle Bezeichnung, als kulturelle Geografie.

Der Titel «11. September» spielt offen mit dem Datum der Veranstaltung, das bekanntlich nach den Anschlägen von 2001 als traumatische Zahl in der westlichen Welt präsent ist. Durch die friedliche Intervention von Keller findet eine Überschreibung dieser Erinnerung statt. Der 11. September 2004 steht unter anderem für ein rot blinkendes St. Gallen, das möglicherweise auch Fluggäste aus luftiger Höhe bestaunen werden.

Rot blinkende Lampen haben jedoch auch immer eine Warnfunktion. Den rot markierten Kulturinstitutionen ist besondere Beachtung zu schenken (auch wenn von ihnen keine Gefahr ausgeht). Es sind lebendige Orte, pulsierende Zentren, die im Rhythmus miteinander um die Wette blinken. Die Gesamtheit der «Warnlampen» ist die Summe der unermesslichen Eindrücke, die Besucher an der Museumsnacht sammeln können. Sie landen, von den Positionslichtern geleitet, in einer anderen Sphäre, jene der Kunst und Kultur, die in einer Zeit gesellschaftlicher Verunsicherung als mögliche Sinnstifterin besondere Bedeutung zukommt.

Gianni Jetzer