nasszelle tannenstrasse

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Ursula Badrutt
Die Nasszelle zwischen Entrée und Schlafzimmer im zweiten Stock liegt am neu geschaffenen Durchgang, der die ganze Breite des Gebäudes an der Südfront mit Blick auf den Säntis einnimmt. Anstelle eines abgeschlossenen Raumes öffnet sich eine grosszügig bemessene Nische als Duschraum, in die eine mobile Wanne gestellt werden kann.
Diese Raumvertiefung galt es rundum auszufliesen. Sowohl Grösse wie die Grundtonalitäten der fliesen waren bereits durch den Architekten Ueli Vogt im Gesamtkonzept des Umbaus bestimmt. Frank Keller, der zu einem Konzeptvorschlag für die Gestaltung der Nasszellenwände eingeladen wurde, entschied sich für die Gesamtausfliesung der grosszügigen Duschnische in den Ausmassen von 2,2 x 1,9 x 2,2 m. Wände und Boden sind einer übergreifender Bildgestaltung unterzogen.
Auf den ersten Blick zeigt sich eine scheinbar zufällige Verteilung der rund 10 x 10 cm grossen Fliesen in italienischen Palazzi-Farben zwischen Vanille und Caramel und verschiedenen Grautönen. Gegenständlichkeit oder gar Narration sind vorerst keine zu lesen.
Allerdings hat sich Frank Keller schon verschiedentlich als subversiver Farbpixelmischer zu erkennen gegeben. Präzis sein vielgründiger Umgang mit gefundenen und oft pornografischen Bildern, ihrer Vergrösserung, Auflösung und Neuinszenierung hat die Auftraggeber bewogen, Frank Keller die Ausgestaltung zu überlassen.
Bereits 1999 installierte er im Kunstraum Kreuzlingen beziehungsweise im gegenüberliegenden Geschäftshaus die Arbeit «Weitsprung», ein Computerplot von viel Körperlichkeit in grober Auflösung. Perlenvorhänge mit vergleichbaren Motiven und die kleinformatigen Bügelbilder aus Plastikkügelchen, aber auch die grosse Tapete «Playground» von 2002 im Zeughaus in Teufen spielen mit der Kombination biederen Dekors, sexueller Aufladung und künstlerischer Unterwanderung herrschender Moralvorstellungen.
Als Grundlage für den Legeplan der Fliesen in der Nasszelle an der Tannenstrasse wählte Frank Keller wiederum ein aus dem Internet bezogenes pornografisches Bild. Durch die Spiegelung das Motivs und weiteren Bearbeitungen entwickelte er daraus eine mythologisch umrankte Szene, die den Jüngling Narziss am Wasser zeigt. Der schöne Narziss verschmäht laut griechischer Sage die Liebe der Nymphe Echo, weshalb er von Aphrodite mit unstillbarer Selbstliebe versehn wird. Beim Trinken beugt er sich über eine Quelle und verliebt sich in sein eigenes Bild. Da ihm sein Spiegelbild aber unerreichbar bleibt, verzehrt er sich immer mehr vor Sehnsucht, bis er sich schliesslich in die nach ihm benannte Narzisse verwandelt.
Nur vage ist der kauernde und sich mit sich selbst vergnügende Narziss mit Blumen und in der Spiegelung zu erkennen. Körperrundungen und Details bleiben Ahnung und im Fliessenmass als harmloses Pixelmuster abstrahiert. Das Spiel der Körper mit dem Wasser aber setzt sich in der Nasszelle fort.
August 2009