Autor: admin
coco
überlaufen
22. Oktober – 15. November 2020
Remixing: Öffentlichkeit, Brunnen und andere Geschichten
mit David Berweger, Barbara Brülisauer, Andy Guhl, marc norbert hörler, Frank Keller, Thi My Lien Nguyen, Marion Täschler
Frank Kellers «überlaufen» eine Installation mit Klang leitet sich von den Lieblingsbrunnen seiner Kindheit in der Ostschweiz ab. Diese Brunnen besuchte Keller nochmals. Ein «Objet trouvé» dieses Ausflugs, der Abflusstöpsel, markiert nun im AUTO ex Nextex den Übergang in ein dunkles Loch und lotst die Betrachtenden in den unendlichen Raum des unterirdischen Wassers. Aus dem Lautsprecher rauscht und blubbert es, auf dem Bildschirm pulsiert ein Kreis. Die Installation zieht hinab ins Unbekannte, sie lädt ein zu einer gedanklichen Reise.
brausen
Die Luxuswohnungen des Mehrfamilienhauses wurden 1969 erbaut. Auf drei Etagen befinden sich je eine Sieben-Zimmerwohnung mit Cheminee und je eine Zwei-Zimmerwohnung. Seit 2008 steht der Block leer und hat schon einige Wasserschäden.
Leila Bock kuratierte unter dem Titel «geilerblock» in fast allen Räumen Interventionen, Ausstellungen und Perfomances.
«brausen» Rauminstallation 2015
In der 7-Zimmer Wohnung wurde für die Kinder ein separates WC mit Dusche eingebaut. Mit dem Lichtstrahl aus der Duschenbrause kann der dunkle Raum abgetastet werden. Aus dem Bilderfundus der Siebzigerjahre sind die Plättli passgenau zugekleistert.
Grafische Abwicklung der Wände (bitte auf Bild klicken)
milch
hier klicken um einen ausschnitt der animation zu öffnen:
ausstellungsort:
Propstei St.Peterzell, 2014
hypochondrien
«Es ist ausgesprochen merkwürdig, aber immer wenn ich so eine Reklame für ein Heilmittel lese, komme ich unweigerlich zu dem Schluss, dass ich an der darin beschriebenen Krankheit leide, und zwar in ihrer übelsten Form. Jedesmal stimmen die beschriebenen Anzeichen exakt mit allen Symptomen überein, die ich ja an mir wahrgenommen habe.» Jerome K. Jerome, Drei Männer in einem Boot, Bristol 1889
Bilder haben eine grosse Kraft. Sie können uns faszinieren, aber zugleich auch erschaudern lassen, uns verunsichern, uns anekeln. Dies funktioniert selbst dann, wenn sie nur wenige Quadratzentimeter Realität abbilden oder gar nur entfernt realen Dingen gleichen.
Was zieht uns an, was stösst uns ab? Können wir es rational begründen? Frank Keller spielt mit der sinnlichen Ambivalenz der Bilder ebenso wie mit der Zweideutigkeit der Sujets. Ausgehend von Aufnahmen menschlicher Haut, aber auch von der Schale einer Zitrusfrucht oder selbst gezüchteten Bakterienkulturen erzeugt der Ausserrhodische Künstler (*1964) am Computer virtuelle Landschaften. Mal wirken sie tief zerklüftet, mal ziehen sich feine Linien hindurch. Mal wuchern dunkle Stellen in ihnen und breiten sich myzelartig aus. Dann wieder brechen tiefrote Krater auf. Die bestimmende Farbigkeit erinnert mal an fahle, mal an gerötete Hautstellen oder sogar an abgestorbene Epidermis. Über einige Landschaften ist ein unbestimmter Glanz gelegt, der den Reliefcharakter noch betont. Obgleich alle Bilder vage an Bekanntes erinnern, ist doch bei kaum einem präzise zu bestimmen, was es zeigt. Dies wird noch dadurch gesteigert, dass Frank Keller ein rundes Format wählt. Es gibt keine horizontale oder vertikale Richtung vor, jedes Bild erscheint als Ausschnitt eines grösseren Ganzen.
Dadurch, dass der Künstler eindeutige motivische Hinweise vermeidet, ruft er den emotionalen Aspekt der Wahrnehmung ins Bewusstsein: Obgleich kaum etwas visuell fassbar wird, stellt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit beim Betrachten der Bilder ein gewisses Unbehagen ein. Dies gilt nicht nur für die zweidimensionalen «Bildscheiben», sondern auch für die «Moulagen» in der Petrischale. Auch die handtellergrossen Wachsobjekte sind weniger Abbild konkreter Vorlagen als Imaginationen, die ins Reale oder Irreale kippen. Ihr künstliches Rosarot nähert sich zuweilen dem Inkarnatton. Die schwarzen Spitzen könnten Borsten sein oder Haare, aber wer ohne Vorurteile schaut, entdeckt, dass der gelbe Eiterpunkt nichts weiter ist als ein Stecknadelkopf, oder dass des Künstlers Fingerkuppen im Wachs Spuren hinterlassen haben.
Die «Moulagen» werden in der Sackgasse eines Ganges präsentiert. Sie sind sorgfältig aufgereiht und bilden damit einen Gegenpart zu den über die Wände wuchernden «Bildscheiben». Gemeinsam ist ihnen die runde Form, die beide wiederum mit den auf Kästen und Tablaren positionierten Glasbehältern «Vitro» verbindet. Neben den ausgestopften Tieren aus dem Fundus des Hotels muten sie wie Objekte aus einer naturwissenschaftlichen Sammlung an. Ein jeder Glassturz ist eine Vitrine für vom Künstler gezüchtete Schimmelpilzkulturen. Zart und farbig breiten sie sich aus und lassen beinahe die begleitenden Fäulnisprozesse vergessen. Aber eben nur beinahe: Einmal mehr liegen hier Schönheit und Schauder sehr nah beieinander. Text: Kristin Schmidt
zelten in tokio
klein-versailles
Als Johann Albrecht von Steiger die Villa Mettlen in Muri um 1750 erbauen liess, wollte er mit der Anlage eine Art Klein-Versailles nachempfinden. Dazu gehörte auch der Teich, bei dem es sich um eine offensichtliche, wenn auch viel kleinere Kopie des berühmten «Bassin d’Apollon» im Schlosspark von Versailles handelt.Während jener mächtige Brunnen ganz auf die Skulptur des Apoll im Sonnenwagen, aus deren Mitte Wasser in die Höhe schiesst, ausgerichtet ist, muss die Version von Muri bei Bern ohne den griechischen Gott auskommen. Bis November ist diese Leerstelle mit der Arbeit «Boye», eine Art monumentale Seerose, besetzt. Inszenierte der Auftraggeber des Versailler Originals, König Ludwig XIV., mit der Bezugnahme auf Apoll – den griechischen Gott des Lichtes, der Heilung und des Frühlings – sich selbst, ersetzt die Brunnenfigur «Boye» subtil die Anmassung des französischen Sonnenkönigs. Und suchte sich Ludwig XIV. in der Annäherung an Apollo in den Stand des Göttlichen zu heben, kontert die schwimmende Figur mit einer Referenz ans Florale, zerlegt mit einer Wasserblume den Mythos des Heldischen. Kontrastreich hebt sich die rosa Skulptur vom Grün des Parks ab und markiert ihre eigenständige Position. Der Verweis auf das Männliche ist tief und tragend. Denn betrachtet man das rosa Objekt genauer, transformiert sich die florale Struktur nach und nach in eine menschliche. Die Seerose entpuppt sich als ineinander verschlungener Körperring. Männertorsi – Gesässe, Rücken, Beine – sind zu einem Kreis verwoben. Das Heroisch-Göttliche findet sich damit in einem Blütenring wieder, aus dessen Mitte die Fontäne des Parkweihers von Klein-Versailles in die Höhe schiesst.
leerstellen
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zelten, tokio
eier, schaffhausen
kühlschrank, killybegs
u-bahn, berlin
veranda, dominical
schliessfach, st.gallen
die dargestellten sujets sind mit einem 3d-programm in der räumliche struktur definiert. die geometrie der fotovorlagen wird dabei aus grundkörpern wie kuben, zylindern und kugeln innerhalb eines koordinatennetzes «zusammengebaut». die eigenschaften der oberflächen wie farbe, reflexion, struktur und transparenz sind stark abstrahiert. lichtquellen beeinflussen die stimmung der szenen. über die virtuelle kamera wird der bildausschnitt bestimmt und gerendert.
die bilder werden in einer auflösung von 300 dots pro inch auf die ausgabegrösse berechnet. dabei entsteht ein abbild mit absoluter schärfe und «sauberkeit»: spuren der abnutzung fehlen gänzlich.
hier und jetzt
Schaufenster sind Vitrinen inszenierter Begehrlichkeiten.
In St.Gallen an der Frongartenstrasse 5 lockt Leuchtfarbe am Ort der konsumierbaren Wünsche. Doch der Blick nach Innen wird durch das zugemalte Fenster verwehrt. Das Auge wird durch die grossflächige Anwendung der Neonfarbe „Pink“ irritiert. Ungewohnt muss der Abstand zur Schaufensterscheibe fokussiert werden, automatisch wird das architektonische Umfeld wahrgenommen. Neu zu definierender Raum zwischen enttäuschtem Begehren und neuer Seherfahrung entsteht.
«Die auffällige Architektur des ehemaligen Reisebüros im Erdgeschoss mit den runden Schaufensterscheiben und den schrägen schwarzen Säulen löste in meiner Kindheit das Bild einer erfreulichen Zukunft und einer offenen Welt aus. Wenn ich jeweils in die Stadt zum Zahnarzt musste, freute ich mich jedes Mal auf den kleinen Umweg zum Gebäude um mir das Gefühl «Freiheit» abzuholen.»
Seit einigen Jahren ist das Reisebüro im Erdgeschoss ausgebaut. Mit dem Abbruch des Gebäudes im Frühjar 2009 verschwindet diese prägnante Architektur.
Die Oberfläche des Schaufensters ist sich selbst genug und leuchtet ein letztes Mal – um aufzufallen.